Platz für Lärm.
Pizza, Punk, iPhone und dann plötzlich alle Augen. Nur wenigen Truppen gelingt es, bereits vor ihrem Langspiel-Debüt auf internationaler Ebene derartig umfangreich von sich reden zu lassen, wie den Kanadiern von Weaves. Wohl liegt es an der bizarren Mischung aus Genres, die das Quartett mit zwar idiosynkratischem doch geradezu leichtfüßigem Verve in ihrer Musik aneinander krachen lässt. Die Einordnung in Journalisten-Schubladen fällt demnach schwer, ist aber auch fulminant egal. Denn das selbstbetitelte Debüt der Truppe macht am Ende des Tages schlichtweg Spaß. Und das, obwohl es durchaus ernste Themen behandelt.
Die Geburt der Leichtigkeit aus dem Geiste der Schwere etwa? Wir wissen es nicht. Müssen es aber auch nicht. Denn Jasmyn Burke, Frontfrau der Band, erzählt es in einem Gespräch über ebenjenes Debüt, die Rolle der Frau in der Musikindustrie und – Blumen.
Frau Burke, die ersten Aufnahmen zu Ihrem Debüt wurden auf einem iPhone gemacht. Eine willkürliche Entscheidung?
Haha, nein. Ich mag es einfach, alleine Songs zu schreiben. Das iPhone ist da natürlich die schnellste und einfachste Möglichkeit, Songideen aufzunehmen, wenn ich alleine in unserem Proberaum bin. Ich schreibe wöchentlich Songs. Ich nehme die Schnipsel auf und schicke sie Morgan per Mail. Das klappt am Besten für uns.
"Ich schreibe wöchentlich Songs."
In einem Interview meinten Sie, dass Sie sich teilweise zwingen, Ihre musikalischen Limits zu überschreiten. Was war der härteste Moment in der Produktion Ihres Debüts?
Ich denke, wir arbeiten einfach sehr hart. Wir versuchen ständig, uns als Musiker und Performer zu pushen, um hoffentlich Musik zu machen, die Leute gerne live hören. Der am härtesten zu produzierende Song auf der Platte war wahrscheinlich „Human“. Wir mussten ihn einige Male aufnehmen und haben die Lyrics einfach immer und immer wieder eingesungen. Aber jetzt ist es einer der Songs, auf den wir am stolzesten sind.
Wie kam der Deal mit Buzz Records zu Stande?
Das kam ganz natürlich. Ich kannte Ian, unseren Manager, seit Jahren. Er ist Co-Owner des Labels. Wir wollten immer zusammen arbeiten und er hat mich ermutigt, Weaves zu starten. Als wir die Platte also fertig hatten, war klar, dass wir sie auf seinem Label rausbringen würden.
"Ich will über Empowerment und beschissene Apartments schreiben."
Das Cover und die Pressefotos Ihres Debüts sind eher ungewöhnlich.
Wir wollten einfach nicht, dass wir auf Grund unserer Klamotten eingeordnet werden. Deswegen haben wir uns für das Shooting in Blumen gehüllt. Die Idee kam von einem Käfer, den ich mal sah: Der macht aus verschiedenen Blumen einen Kokon. Ich fand das einfach wunderschön. Ich finde es lustig, eine Art Welt zu kreieren, wenn man eine Platte rausbringt. Da finde ich es wichtig, ein starkes Bild zu haben, das Hand in Hand mit dem Album geht. Deswegen haben wir viel Arbeit in die „Weaves Welt“ gesteckt.
Im Gegensatz zur straighten, vorwärts-gerichteten Musik Ihrer Bandmitglieder ist Ihre Stimme sehr sprunghaft, sehr vielseitig. Ist das geplant?
Ich denke, das ist einfach so passiert. Wenn ich schreibe, kommen zuerst meist die Melodie und der Text, bevor die Band mit der Musik beginnt. Deswegen sind die Lyrics der zentrale Teil jedes Songs. Ich würde sagen, mein Stil ist inspiriert von meinen Einflüssen: Starken Performern, die bei jeder Show alles geben. Von Björk bis Patti Smith, PJ Harvey, Karen O., Kim Gordon, Lydia Lunch, Kathleen Hanna oder Gwen Stefani. Zu denen habe ich aufgeschaut, als ich groß wurde. Von ihrer Musik geht einfach ein unglaublich ansteckender Puls aus.
"Ich denke, die Musikindustrie braucht wieder Frauen, die Lärm machen."
In einem Interview meinten Sie, dass sie Texte bekannter weiblicher Musikerinnen oft seicht und unrealistisch finden. Soll Ihre Musik eine Art Gegenbewegung sein?
Vielleicht. Ich weiß nicht. Ich stehe einfach auf weibliche Performer und ich denke, unsere Sicht der Dinge wurde in der Musikwelt noch nicht ausreichend dargestellt. Ich will über alle Facetten des Lebens schreiben. Nicht nur Liebe. Ich will über Empowerment und beschissene Apartments schreiben. Über Fantasien. Ich denke, die Musikindustrie braucht wieder Frauen, die Lärm machen.
Nach wie vor werden Frauen gegenüber Männern schlechter behandelt. Auch in der Musik hat man oft das Gefühl, sie werden auf ihre Weiblichkeit reduziert. Warum meinen Sie, ist das immer noch so?
Schwer zu sagen. Ich denke, junge Menschen sind offen und sehen die Dinge bereits anders. Ich denke also, dass sich da in naher Zukunft einiges tun wird. Alleine, wenn man eine Künstlerin wie Grimes betrachtet, die ihre komplette Musik selbst schreibt und produziert, und sich noch um Artwork und Videos kümmert. Stell dir vor, das siehst du als Acht-Jährige. Das beeinflusst natürlich. Je sichtbarer Frauen in der Musikindustrie werden und je mehr Kontrolle sie haben, desto offener wird das Business sein, Frauen auf Festivals zu buchen und bei Labels zu signen. Das wiederum inspiriert andere junge Frauen. Es ist zum Beispiel immer noch wahnsinnig, wie wenige Frauen auf Major Festivals spielen. Durch harte Arbeit und eine positive Einstellung hoffe ich, selbst andere Frauen dazu inspirieren, ihre Träume zu verfolgen.
Wir danken Frau Burke für das Gespräch. Das selbstbetitelte Debüt von Weaves ist in Kanada bei Buzz Records, in Europa bei Memphis Records erschienen. Wir empfehlen den legalen Erwerb. Im Übrigen sind wir der Meinung, dass Sie mehr Human Abfall hören sollten.