"Vergifte Dich" von Isolation Berlin.
Eigentlich fängt es schon beim Namen an. Die Wörter “Isolation” und “Berlin” haben gemeinsam einen angenehmen Rhythmus und machen natürlich auch schnell klar, worum es der Band geht: Das Leben in der Großstadt, Einsamkeit, Sehnsucht – eben die übliche Conditio Humana des Stadtbewohners nach Georg Simmel. Doch gerade deswegen ist diese Wortfolge auch zu klar, nicht assoziativ irritierend sondern unmissverständlich eindeutig. Und das setzt sich bei der Musik fort: Da ist zum einen die transparente Produktion, in der jedes Instrument seinen Platz hat und sauber zum Klingen gebracht wird – ohne auch mal in Krach/Lärm/Noise auszubrechen. Zum andern ist da der Gesang, der zwar pointiert die Melancholie des Lebens artikuliert, dabei aber zwischen einem Hang zu schlagerartiger Melodieführung und einer überholten Metaphorik schwankt.
Entsprechend positiv überrascht war ich also von der ersten Single “Kicks” zum neuen Album “Vergifte Dich”. Zu einer aufregend durch Fuzz-Effekte verzerrten Gitarre (Max Bauer) bellt und stottert Sänger Tobias Bamborschke lose Parolen wie “Alles, was ich kenne, taugt mir nichts./ Ich brauche neue Ki-Ki-Ki-Kicks.”. Eine Euphorie, welche die Erwartungshaltung dem zugehörigen Album gegenüber durchaus in die Höhe geschraubt hat.
Doch diese Erwartungen wurden vollends enttäuscht. Schon der Opener “Serotonin” hinterlässt wieder dieses seltsame Gefühl von Zerrissenheit. Einerseits ist das Arrangement klar durchdacht, mit schönen Breaks vor den Refrains und einer anschwellenden Instrumentierung, die mit dezent gezupften Gitarren- und Bass-Akkorden (David Specht) und einem schleppenden Schlagzeug (Simeon Cöster) reduziert beginnt. Andererseits tönt die Orgel ab der Mitte doch etwas zu lieblich, imitiert eine Streicherfläche und hat dabei doch nicht den Mumm, den Song vollends in den Kitsch kippen zu lassen.
Und auch textlich: Einerseits ist “Ich baue mir ein Kartenhaus aus Serotonin” eine griffige Metapher für die Vergänglichkeit bzw. Unbeständigkeit des Glücks. Andererseits wird dann in der nächsten Zeile Wien auf Berlin gereimt. Ohnehin, die Reime: So inflationär wie meine Doppelpunkte. Ihren Höhepunkt erreichen sie wohl bei der zweiten Single, “Marie”, wo sich in einem Kreuzreim-Schema “isst” und “ießt” Endungen abwechseln. Ein Stilmittel, das natürlich von einem versierten Umgang mit dem eigenen Wortschatz zeugt, gleichzeitig aber auch mehr an ein Volkslied denn an zeitgemäße Lyrik denken lässt.
Doch auch darüber hinaus hinterlassen die Texte leider allzu oft ein flaues Gefühl. Mal tut die Liebe weh, mal ist das Fleisch schwach und dann wieder bringt der Hass einen um oder es weht ein frischer Wind Richtung Hoffnung. Alles recht banale Metaphern die manchmal auch mitten reinfallen in den Allgemeinplatz.
Nach 44 Minuten bleibt dann die bittere Quintessenz: Die Musik von Isolation Berlin ist eine Musik des Stillstands. Sie ist rückwärtsgewandt, nicht nur in ihrer romantischen Melancholie und Sehnsucht nach verflossenen Liebschaften, sondern auch in ihren klanglichen Anleihen bei Element of Crime und insbesondere Ton Steine Scherben. Schließlich kommt einem auch eine dritte Band in den Sinn, und dann passt es auch, dass Bamborschke mitten in Berlin von Wien träumt: Die österreichischen Pur-Epigonen Wanda, die noch etwas gefälliger sind und dementsprechend schon längst größere Hallen füllen. Isolation Berlin sind aber noch weit davon entfernt, die deutschen Wanda zu werden. Und wenn sie sich für ihr drittes Album auf die Energie von “Kicks” und “Die Leute” besinnen, dann werden sie diesem Schicksal auch entgehen. Es sei denn, sie wollen dies gar nicht – dann wünschen wir ihnen viel Glück auf ihrem Weg in die Stadien der Nation.
Denjenigen, die sich für das Album interessieren, empfehlen wir wie immer den legalen Erwerb. Die Band ist ab dem 15. März auf Tour. – noch nicht in Stadien.