Fragmente

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Zerstreuung des Konkreten.

JFR Moon live im Merlin Stuttgart.

Die Frequenzen kriechen die Wände hoch. Ziehen Schwaden aus den Verstärkern. Aus dem Schlagwerk. Aus den Bongos. Aus allem, was Töne erzeugen kann. Sie durchziehen uns. Wie wir da stehen. Unser Fallen, unser Stolpern, unsere Zweifel. Kurz gestoppt. Kurz entwurzelt. Entrückt. Zerstäubt. Auch unsere Dummheit und unser Vergleichszwang. Aufgelöst in Synthie-Flächen. In in ihrer Simplizität kaum zu überbietenden Rhythmen. Aus tausenden Händen.

Der Nobelpreis Bob Dylans pendelt auch irgendwo im Äther. Weitermachen mit der Zersetzung des Konkreten, befiehlt er. So geschieht es. Die gehauchten Worte hallen. Stehlen sich in unsere Ohren. Zerspalten unsere Moleküle in Atome. Lassen sie durch die Galaxien hechten. Und wieder in diesen Raum. Auf diese Bühne. Zwischen die All-Star-Group der Stuttgarter Szene, die JFR Moon (auch: Human Abfall) im Vorprogramm von Die Heiterkeit heute zusammengestellt hat. Kevin Kuhn von Die Nerven und Melvin Raclette erblicken wir da. Reinhold Buhr von Mosquito Ego und Wolf Mountains. Dennis Melster von All Diese Gewalt und The Blue Angel Lounge. Der Milberg ist auch da. Der Rest Stuttgarts ohne Link steht vor der Bühne.

Doch sie schaffen etwas. Die Kompositionen auf eine neue Ebene hieven. Auf eine kollektive. Die das Wegschauen, obgleich oder gerade weil man sich kennt, egalisieren. Die den Wahnsinn der Anderen in den sozialen Echokammern bleiben lässt. Aus unseren Köpfen verbannt. Wenn auch nur für die Dauer eines Sets. Die die Größe der Kleinheit erkennen lässt. In einem Akkord. Die das Hoffen auf den Advent des Heilsversprechens in einem Teddybär auf einem Cardigan reduziert. So greifbar das Ferne. So sinnlos unser selbst geschaffenes Gefängnis aus Pflicht. Eine neue Ordnung muss her, irgendwann. Aber das Ordnen muss warten. Erst die Zerstreuung.

Erst das Baumeln der Gitarrensaite. Erst die Wolke, aus der pinke Lava tropft. Erst die Klauen der Kontrolle, die nur in Watte pieksen. Erst die Tür der Wahrnehmung, die so leise wie möglich geöffnet wird, weil das ganze Haus schlummert. Erst das Loch in der Decke, das zum Loch im Socken wird, das vom Loch in der Seele ablenkt. Erst das Betonschiff, das auf einem Meer aus Crème Brûlée dahinsegelt. Erst die Versöhnung mit dem Unvermögen. Erst das Blicken ohne Zeit. In die Dunkelheit, auf der Suche nach dem Licht. Erst das. Erst das. Erst das. Und dann.

Einen photographischen Rückblick der Schau von JFR Moon finden Sie hier. Die Platte "Honey, I can't concentrate, I'm collecting Minerals on my Body" ist bei Treibender Teppich Records erschienen. Wir empfehlen den legalen Erwerb. Generell empfehlen wir die Platten dieses Labels, sowie einen Stop im Second Hand Records. Im Übrigen sind wir der Meinung, Sie sollten mehr Human Abfall hören.