Fragmente

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True love & spaceships.

Hexvessel und die Bewusstseinserweiterung der Ewigkeit. 

Vier Jahre Durststrecke. So lange mussten Hexvesselsche Jünger ihre Geduld auf die Folter spannen. So lange trocknete jener sonische Aggregatzustand vor sich hin, der die Nacht ins Kultische verlängert und das Bewusstsein für Okkultes erweitert. So lange brauchte das finnische Sextett, bis es den Nachfolger zum viel beachteten „No Holier Temple“ ins Heute gegerbt hat. „When We Are Death“ wispern uns die Runen auf dem Plattencover nun in die Ohren. Das vermeintlich persönlichste Werk des exaltierten spirituellen Führers dieser Pilz-Psychedelika, Mat McNerney. 

Eine zu lange Zeit, sich als Band in der High-Speed Welt von 4G und #LikesForLikes zu behaupten? An zwei finnische Grammy-Nominierungen anzuschließen? Der „Ich mochte sie schon, als sie klein waren“-Journaille erneut Zucker aus den Fingerchen zu jagen?

Wahrnehmungskunst.
Wen kümmert’s? Wenn die Existenz der Zeit als relativ zu erachten ist, lösen sich absolute Erfolge im Flügelschlag der transzendentalen Naturgötter auf. Einer von ihnen kriecht nun aus dem Ur-Staub des Universums aus den Wänden des Stukkertschen Zwölfzehn, setzt sich sechsteilig zusammen und befähigt McNerney alias Kvohst, seine mystischen Botschaften zu beschwören. Wir purzeln aus unseren Gedanken und werden nach dem Ende des Horizonts Kunde von jener rätselhaften Erscheinung ablegen können.

Davon, wie Kvohst mit seinem feinen, getragenen Organ dem Wind eine Stimme verleiht. Geführt von den unentwirrbaren Strippen des Schicksals und der Lederkluft dem Hier und Jetzt entsagt und sich mit distanzierter, dunkler Opulenz aller auf ihn gerichteten Augen entzieht. Davon, wie er die Geschicke seiner Truppe durch die Türen der Wahrnehmung führt. Die Seele der 70er im Ohr. Die Träne der Vergänglichkeit im Auge. Den verschlungenen Waldweg in die Zwischenwelt im Blick.

Mystik aufgetragen.
Die Kompositionen der jüngsten Notengeburt „When We Are Death“ reichen dabei die Mystikkerze der verträumten Classic-Rocker jener Zeit weiter, die als die fruchtbarste für all das gilt, was einem Verstärker entfleuchen durfte und darf. Zurren mit Orgel, Trompete und dem Klampfenerbe Led Zeppelins die Blätter und Äste der Elementarreligionen zusammen und offenbaren nun die Schemen des Naturreichs als Schamanen des Miteinanders. Dankend reichen Hexvessel den Kelch an das gebannt lauter werdende Publikum weiter. Wein, lass uns die Wahrheit vergessen.

„This is about true love & spaceships“, verkündet der britische Exil-Finne Kvohst mit selbstsicherer Selbstvergessenheit während seines Sermons. Besser könnten wir das Dargebotene selbst nicht beschreiben. Hexvessel verkörpern wohl den Geist der Vergangenheit. Doch ihre Sehnsucht vertont die aktuelle Liebelei unserer Generation mit dem Biedermeier-Wohnzimmer und der Thoreau-Isolation, die in konzentrischen Kreisen durch die Geschichte wächst. Baumringen gar nicht unähnlich. Und vollführt so die tanzende Bewusstseins-Erweiterung in die Zeitlosigkeit.

Eine Zugabe musikalischer Naturalien gewährt das Ur-Geschöpf. Der Flügelschlag trifft uns ins Gesicht. Seine Gestalt haucht ihren Freitod in die Endlichkeit. Flüchtet in die Nacht. Wir werden sie bald wieder sehen. 

Eine photographische Rekonstruktion des Abends finden Sie hier.