Fragmente

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Kraut, Kunst & Kitsch.

Suuns und der dunkle Spiegel.

Er erinnert an Jeff Koons. Dieser übergroße, weiße "Suuns"-Schriftzug, der das in völliger Dunkelheit belassene Palastzelt des Maifeld Derby 2016 nun erhellt. Einem Gefühlsring auf LSD gleich, treibt er seine Farben träge durch das von Pink Floyd aufgestoßene Spektrum. Und erhellt jene, die sie mittels ihrer kruden Mischung aus Krautrock, Electronica und Dissonanz in eine Parallelwelt aus Kitsch, Sexualisierung und Ironie transportieren. 

Jene hören auf den Namen Suuns, stammen aus Montreal und verdeutlichen, dass das Booking-Händchen der Verantwortlichen hinter dem Maifeld Derby diverse High-Fives verdient hat. Denn die vier Marionetten-gleich inszenierten Herrschaften, die sich so galant um ihre Instrumente räkeln, könnten ohne Weiteres als Dozenten der Vorlesung "Konzept und Kunst: Eine non-traditionalistische Aufarbeitung" durchgehen. Die im Krautrock beheimateten Beats des Trommlers O'Neill komplimentieren die wabernden Basslinien und dissonanten Fuzz-Riffs aus der Feder Joe Yarmushs repetitiv durch das dunkle Zelt der tanzenden, gespannten Meute. Observierend, enervierend, klauen sie die in die Höhe gereckten Smartphones. Saugen die seelenlose Zurschaustellung der Nike-, Adidas und New Balance-Logos auf. Machen sich mit der Entscheidungsunfreudigkeit der Generation Y vertraut. Und ziehen die runden Holzgestelle der Designer-Brillen auf. Ein Ballon, der immer voller wird.

Und sich mit einer Electronic-Explosion in das Publikum ergießt, sobald die gepresste, hohe Stimme Ben Shemies ertönt. Hochsexualisiert intoniert sie den mit einem atonalen, mitten in den Gehörgang gehenden Riff ausgestatteten Publikumsliebling "2020" des 2013er Albums "Images du Futur". Der zu allem ironischen Überdruss auch noch in einem Nike-Spot verwendet wurde. Distanziert und digitalisiert unterkühlt sie "Instrument" vom düsteren "Hold/Still", das erst unlängst in den Plattenshops dieser Welt erschienen ist. Mechanisch, beklemmend und ob jener mechanischen Beklommenheit beinahe grinsend, ruft sie "Resist". Immer wieder. Immer wieder. Als würde das Wörtchen auf ein Werbesujet gedruckt und für einen Obolus an die Hauswände und U-Bahn Stationen dieser Welt geklebt werden. Die Kommerzialisierung des Widerstands. Durchexerziert und widergespiegelt von vier unscheinbaren Kanadiern. Mannheim, schreibst du mit?

Denn nach dem Magister, dessen Sinn in der von Fachhochschulen und Akademien durchrationalisierten Arbeitsrealität flöten geht, sollte eines hängen bleiben: Die Suunsche Assimilation aus Punk, Psychedelia und Rock ist spätestens seit Hold/Still der spannendste Spiegel unserer Lebenswelt. Rauschzustand, Angstlähmung, Sinnsuche und kommerzieller Größenwahnsinn miteingeschlossen. Kein Wunder, dass diese Truppe einen Deal mit Secretly Canadian in der Tasche hat. 

Dieser Artikel ist Teil unserer Sonderkundmachung zum Maifeld Derby 2016. Mehr Artikel dazu finden Sie hier.