Fragmente

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Geben Sie auf.

Kackschlacht2000 (ex-Wolf Mountains) live in der Neuen Schachtel.

Geben Sie auf. Packen Sie Ihre Jacke und ein bisschen Geld und gehen Sie irgendwohin, wo Sie sonst nicht hingehen. Was außerhalb Ihres beschissenen Arbeits-Rhythmus` schlägt. Zum Beispiel ein paar verlassene Container, in denen ein Haufen komisch angezogener Menschen machen, was sie wollen, und nicht, was sie müssen. Sie wandern also dorthin, durch die Nacht. Zwischen verlassenen Bussen, kruden Stein- und Holzfiguren bahnen Sie sich einen Weg zu einem blinkenden Licht im Dunkel. Darunter ist eine Tür. Los, öffnen Sie die Tür. Treten Sie ein in den Container, der jetzt eine Konzert-Lokation ist. Aber wen kümmert schon, was einmal war? Sie doch nicht etwa? Was zählt ist jetzt. Und jetzt holen Sie sich ein Bier und stellen sich dort in die Ecke. Wippen Sie ruhig zu den funky Platten, die hier aufgelegt werden. Es ist auch okay, wenn Sie erstmal nur zu Boden gucken. Aber warten Sie noch ein bisschen. Es könnte nämlich sein, dass sich auf der "Bühne" (die kleine Erhebung da vorn) gleich ein paar Menschen zur Band zusammen-definieren und das Release ihres Albums "Superheavvy" zelebrieren.

Geben Sie auf. Geben Sie auf, was Sie davon zurückhält, zu diesen verdammt catchy Songs zu tanzen, die von dem animalisch spielenden Langhaarigen mit sensibler Wucht eingezählt und manisch ausgeprügelt werden. Geben Sie das Gefühl der Pflicht auf, das die Gesellschaft Ihnen anerzogen hat. Schreien Sie nebst der butterweichen Stimme des Gitarristen "I'm on vacation. From 9 to 5." Es tut Wunder im Ohr. Es tut Wunder im Herz. Am meisten, wenn Sie mitmachen. Geben Sie die Mauer auf, die Sie um Ihr Herz gebaut haben. Lassen Sie die flüsternden, sonnig durch den Raum kreisenden Stimmen des Schlagzeugers und des Gitarristen Sie einreißen. Träumen Sie lauthals mit Ihnen davon, dass Sie und Ihre Liebe gemeinsam die Nacht vergessen. Treten Sie ruhig selbst auf einen der Ziegel. "Die Ankunft ist sicher. Nur die Reise nicht.", sagt der Schlagzeuger irgendwann in sein Mikro. Ja. Geben Sie Ihr Sicherheitsdenken auf.

Geben Sie auf. Seien Sie doch einfach mal jemand anders. Tauschen Sie, wie der Bassist und der Gitarrist, einfach mal die Rollen. Offensichtlich spielt sich's dann ja genauso gut. Geben Sie Ihren Ordnungszwang auf. Wie soll aus einer glatten Fläche ohne Schrammen, Kanten, Löcher denn etwas Unerwartetes entwachsen? Spielen Sie Ihre Arbeitsgeige wie die drei Typen einfach mal ein bisschen schief. Vielleicht klingt's dann ja umso schöner, weil es eben (das wird man ja nochmal ohne Peinlichkeit sagen dürfen) von Herzen kommt. Schütteln Sie Ihre Hüften von Links nach Rechts. Wackeln Sie dem Kopf nach vorne und nach hinten. Genau dafür sind diese Lieder gemacht und das machen sie besser als die meisten anderen. Bieten Sie Ihrem Chef die Punk-Stirn. Bieten Sie der Ich-und-meine-Ellenbogen-gegen-alle-Anderen-Mentalität die Solidarität des Garage Rock und tauschen Sie Ihr Bier gegen den Joint ihres Nachbarn. Bieten Sie der Zeit mit dem verträumten Anzug-Killer-Riff des besten Songs des Abends "Nobody Else Will Know" die entwaffnende Kante der Repetition.

Geben Sie alles auf, was nervt. Wie die Wolf Mountains ihren Namen, weil es zu viele Wolf-Bands gibt. Geben Sie auf, alles zu ernst zu nehmen. Sehnen Sie sich mit den Wolf Mountains, pardon, Kackschlacht2000, doch einfach mal danach, ein Astronaut zu sein. Geben Sie auf, alles zu verkomplizieren. Manchmal tut es auch ein 3-Minuten-Rock-Song. Heute tut er es verdammt gut. Jeder davon. Ob punkig vorpreschend oder im Laid Back Blues Gewand. Geben Sie die Ablenkungen, die Angebereien, die Machtspielereien auf. Die Ideale, die Ideologien, die impliziten Befehle der Masse. Wenn Sie das alles aufgeben, bleibt Ihnen nur das, was Ihnen selbst wichtig ist. Und das sollten Sie nie aufgeben. Genau so machen das die Wolf Mountains auch. Und nach der Veröffentlichung des neuen Langspielers "Superheavvy" und der Schau zu selbiger ist klar: Damit haben sie alles verdammt richtig gemacht.

Eine photographische Rekonstruktion der Schau finden Sie hier. Alle Photos stammen von Isabel Thalhäuser. "Superheavvy" von Wolf Mountains ist bei This Charming Man Records erschienen. Wir empfehlen den legalen Erwerb. Die Produktion fuhrwerkte unter Zusammenarbeit zwischen Thomas Zehnles und Max Riegers begabten Händchen. Das Mastering lief durch die goldenen Öhrchen des Stuttgart-Sound-Papstes Ralv Milberg. Die Auseinandersetzung mit den älteren Werken der Musikgruppe "Birthday Songs for Paul" und "We Are The Future" wollen wir Ihnen hiermit an die toten Herzen legen. Im Übrigen sind wir der Meinung, Sie sollten mehr Sun Worship hören. Die haben sich nämlich gar nicht wirklich aufgelöst.