Fragmente

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Am I Home? von Skeletons.

Skeletons machen frei, was unfrei macht.

Was soll das?

Dieser ganze Krach. Dieser ganze Stuss. Diese Fülle an Informationen. Diese beschissene Spaß-Kultur. Die dummen Österreicher, die wieder rechts wählen. Die verfluchte AfD. Dieser Rotz. Diese Scheiße. Ein Viel zu viel an Überdruss steht dem untergehenden Schwan der Simplifizierung mit böse lächelndem Gesicht gegenüber. Der Schwall steigt. Und der Schwan ist nicht mehr. Was bleibt, ist der Untergang unserer Welt.

Matthew Mehlan, Filmemacher, Komponist und Chicagoer Urgestein, kümmert dieser Untergang nicht. Denn er ist längst in anderen Sphären zuhause. Mit Skeletons, einem DIY-Projekt, das sich irgendwo zwischen abstrakter Kunst und Improvisation kaum einordnen lässt, veröffentlichte er unlängst sein unglaubliches neuntes Studio-Album. „Am I Home?“ lautet die programmatische Frage, die das Kollektiv aus verschiedensten begnadeten Musikern aus der Ferne an unsere Welt stellt. Man möchte heulen ob ihrer rhetorischen Schwere. „The city’s changed, or have you?“, flüstert Mehlan.

Aufgelöst. Ausgelöst.

Dabei beschreibt „Am I Home“ die Phoenix-Werdung der Asche vergangener Platten. Das im ersten Moment willkürlich scheinende Aufeinandertreffen freier Künstler und Köpfe enthüllt sich in sieben Songs als die Vollkommenheit musikalischer Ausdrucksform. Weniger krude, weniger wild als früher, finden Sie darauf Streicher, Synthies, gehauchten Gesang, Indie, Free Jazz, gar afrikanische Rhythmen. Alles, was sich schlicht nicht zusammenfassen lässt. Alles, was etwas auslöst in uns. Alles, was in diesem Herzen an Rhythmen und Melodien kreucht und fleucht, entlädt sich auf dem jüngsten Teil des Œuvres dieses Ausnahmekünstlers. „So sick of words“, haucht Mehlan.

Doch des Werks Kunstgriff endet hier noch lange nicht. Denn die wahre Größe dieser Platte besteht darin, dass sich das Kompositions-Konglomerat zu keinem Moment in technischen Eskapaden verliert. Jedes Break, jeder Taktwechsel, jedes Instrument fügt sich mit beängstigender Selbstsicherheit ineinander. Bedenkt zu jeder Sekunde den roten Faden und schafft mittels komplexer Ausdrucksmittel simple Hooks, die sich nach ein paar Umdrehungen nicht mehr wegdenken lassen.

„Am I Home“ löst sich somit leichtfüßig wie opulent von der Knechtschaft der Dissonanz. Vom Zwang des Perfektionismus. Von der Ignoranz des Mainstreams. Und findet sein Zuhause in der geistigen Freiheit.

„And I’m home“, schließt Mehlan. Und beendet sein Meisterwerk.  Erschienen ist es beim Leipziger Label Altin Village & Mine. Die Platte können Sie hier erstehen.