Fragmente

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Fingerprints von Isaac Haze.

Und am Anfang war das Sample.

Es gibt keine Originale, es gibt nur noch Kopien. Es gibt keine Originale, es gibt nur mehr Kopien. Es gibt keine Originale, dafür aber Kopien. Es gibt keine Originale, aber Kopien mit kleinen Veränderungen. Es gibt keine Originale, aber Kopien, die mit Veränderung etwas Neues erschaffen. Es gibt keine Originale, aber Veränderung, die etwas Neues erschafft. Es gibt keine Originale. Aber es gibt etwas Neues. Es gibt etwas Neues.

Etwas Neues. Am 11. August 1973 begann es. In der 1520 Sedgwick Avenue, in der Bronx in New York City. Auf einer Party inmitten einer von Rassenunruhen, Armut und Zweiklassen-Denken geplagten Gesellschaft. Dort beginnt DJ Kool Herc, umgeben vom Rauch der Weisheit und dem Schweiß der Vorzeit, in Mitten einer tanzwütigen Meute, ausschließlich den Beat seiner Soul-, Funk- oder Disco-Platten abzuspielen. Und sie, wohl einer Intervention höherer Kraft folgend, mit dem Beat einer anderen Platte zu kombinieren. Wodurch aus dem Nichts ein völlig neues, impulsives, instinktives Stück Musik entsteht. Ein Goldgriff, der die Welt erobern sollte. Denn in dieser Nacht ward das Beatjuggling erfunden. Die Vorlage des Sampling und die Basis des Hip Hop. Der Rest ist freilich Geschichte. Dieser Geschichte widmet sich nun der Stuttgarter Sampling-Künstler Isaac Haze. Der sich auf seinem Instrumental-Debüt "Fingerprints" gleichermaßen auf die Suche nach den Wurzeln des Hip Hop und seinen eigenen begibt. Und, gemeinsam mit seiner Hörerschaft, schnell zu einer einstimmigen Meinung kommen wird.

Denn "Fingerprints" ist eine fürsorgliche, selbstbewusste, brüderliche Verneigung. Vor dem Glanz und der Glorie der vergangenen Tage. Vor dem Gefühl der Freiheit in einer Zeit, in der die Errungenschaften der Vergangenheit in Mauern einbetoniert werden. Angefangen bei den ersten Herzschlägen Isaac Hayes', der als Vorreiter von Rap und Hip Hop gilt. Über das instinktive, aus der Not zur Tugend gewordene technische Gebaren eben DJ Kool Hercs oder Grandmaster Flashs. Frei tanzend gen idiosynkratischer Umwege, selbstbewusst nickend angezeigt vom Verve Afrika Bambaataas. Mündend im furios harten Flow der New Yorker Realität, manifestiert von Nas und Method Man.

"Fingerprints" ist die passionierte Expression einer tief empfundenen Manie. Ein Feuer, das in Fleisch und Blut übergegangen ist. Das nun zäh wie Lava aus jeder Rille des Vinyls tropft und direkt in den Gehörgang läuft. Eruptiert aus dem Schlund der goldenen Ära des Hip Hop über die uralte Kunst des Samplings. Mal entspannt und geisterhaft, mal feurig und basslastig. Mit bisweilen geradezu dadaistisch hypnotisierender Repetition, die auf der Spitze ihrer Enerviertheit jedoch mit einem Lächeln an die Wand gefahren wird. Und stets begleitet wird vom süßlichen Geruch verbrannter jamaikanischer Wolle.

Doch "Fingerprints" ist mehr. Die Platte ist eine Verneigung, aus der nun ein Aufrichten werden muss. Damit auf das Kopfnicken gen Vergangenheit der entspannte Blick Richtung Zukunft folgt. Der vielleicht die Form einer Hommage an eine Stadt annimmt – ähnlich The Alchemist's Israeli Salad – oder einer Vertonung der Kraft eines bestimmten Pflänzchens mittels Field Recording – vergleichbar zu Gold Panda's Good Luck And Do Your Best. Doch "Fingerprints" ist die expressiv zurückgelehnte Evidenz, dass die Reise für Isaac Haze überall hingehen kann. An deren Anfang zweifelsohne das Sample stehen wird.

"Fingerprints" von Isaac Haze kann hier bestellt werden. Wir empfehlen den legalen Erwerb der in liebevoller Handarbeit nummerierten und mit Sticker versehenen Platte, sowie, natürlich, das Riskieren Ihrer Ohren auf Bandcamp. Artwork und Konzept der Vinyl-Verpackung stammen aus der Feder des Design-Studios Panda. Im Übrigen sind wir der Meinung, sie sollten mehr Human Abfall hören.