Fragmente

View Original

Film-Vorstellung: "A Serpent of Velour" von P.A. Hülsenbeck.

Im Antlitz der Hässlichkeit.

Photo von Casey Ayers.

Ich sitze in meiner Unterhose auf dem Stuhl vor meinem staubigen Laptop. Das Zimmer ist dunkel und es müffelt. Die Ungestalt meines Gesichtes wird grob fahrlässig von einer alten Lampe beschienen. Hohle Wangenknochen, tote Augen, eine Fratze. Die restliche Unansehnlichkeit des Verhaus, in dem ich das, was ich mein Leben nenne, friste, versteckt sich in der Dunkelheit. Gerade eben stand ich am Fenster, um den unfertigen Joint von gestern fertig zu rauchen. Gestarrt habe ich auf graue Wohnhausflächen. Darin Klüfte aus Licht, die meinen Blick auf geschmacklos eingerichtete Zimmer anderer Existenzen zogen. Deformierte Gräben der Entstellung in einer Stadt der stillosen Groteske. In meinem E-Mail Postfach warten zig weitere Mails von Leuten, die etwas wollen. Ich werde irgendwann mechanisch antworten. Leer, wertlos, ekelhaft. Die verunstalteten Tentakel des Lebens schlingen sich um mich und drücken den letzten Tropfen Eiter aus mir heraus. Es ist hässlich. Hässlich. Auch das Wort, das diesen Zustand beschreibt.

Doch dann, ein Lichtblick. Im Strom der Grässlichkeit bricht sich eine ästhetisierte Pause eine Lanze. Gräbt sich fest, betoniert sich ein. Doch nur temporär. 4 Minuten und 25 Sekunden bannt sie mich und mein Sein in ein rechteckiges, rot umrahmtes Fenster. P.A. Hülsenbeck agiert darin mit dem einzigen in der Welt, dem wahre, unabdingbare, nicht zu diskutierende Schönheit inhärent ist: Der Natur. Er spricht mit ihr. Wortlos. Er kommuniziert so, wie sie mit uns kommuniziert: In ewiger Bewegung. Er nähert sich ihr. Schiebt, rüttelt an ihr. Als ob er sie testen wollte, ob diese Schönheit denn echt ist. Echt sein kann? Ob es denn auch überhaupt nicht hässlich ist, einfach so von Schönheit zu sprechen? Die Fragerei entschwindet. Löst sich auf. In der Cinematographie von Manuel Müller. Sie ist eine Übersetzung des Songtitels, dem dieses Video gewidmet ist: Eine Giftschlange aus Velour. Denn auch das, was in unseren Köpfen als hässlich gilt, hat ihren Ursprung in der Natur. All das, was entsetzlich ist, entstammt ihr genauso wie all das, was wir Ästhetik nennen. Wer kann unsere Wahrnehmung ändern?

P.A. Hülsenbeck nähert sich ihr mit jenem Mittel, das uns, frei nach Hunter-Hunt Hendrix, für neue Ideen öffnen kann: Musik. Seine Überführung von Klassik in Avantgarde, von indiskutabler Brillanz in berechnete Verunstaltung vermag es, unsere Blickweise zu ändern. Und selbst dort Schönheit erkennen zu lassen, wo sie kaum zu erwarten ist. Auch, wenn es dafür Not tut, ein Album auf einem staubigen Laptop mit beschissenen Boxen laufen zu lassen. “Garden of Stone”, das dazugehörige Album, erschafft sich eine eigenständige Welt. Ihr Fluidum ist die Idiosynkrasie. Ihre Wirkung so bannend, dass es einem die Hose ausziehen würde. Säße man nicht schon in Unterhose auf dem Stuhl.

“A Serpent of Velour” ist Teil des Albums “Garden of Stone”, das P.A. Hülsenbeck am 30. November über das Label Altin, Villa & Mine veröffentlichen wird. P.A. Hülsenbeck ist Anhängern der Band Sizarr sicher ein Begriff. Doch hier soll es vorerst rein um des Künstlers neue Ausprägung gehen. Produziert hat selbiger “Garden of Stone” in Zusammenarbeit mit Tim Roth von früherer Drangsal-Popularität, aufgenommen wurde es von Fritz Brückner und Joe Haege – beide von White Wine – im Haunted Haus Studio in Leipzig. Die Art Direction für das Album und dessen Design und Verpackung stammt von Jim Kühnel, der unter anderem das grandiose Design zu “Jalousie” von MESSER verantwortet hat. Demnächst werden sie von uns mehr zu “Garden of Stone” zu lesen bekommen. Unabhängig davon empfehlen wir Ihnen den legalen Erwerb. Der direkteste Weg führt Sie freilich in den Label-Shop.